Zum Auftakt des 8. ExtremWetterKongresses haben Wissenschaftler und Experten vor den Folgen des fortschreitenden Klimawandels gewarnt und darauf hingewiesen, dass das Thema in Zukunft von einer stark wachsenden gesellschaftlichen Bedeutung sein wird.
Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation: „Es wird oft nur auf die globale Lufttemperatur geschaut und vergessen, dass zum Klimasystem neben der Atmosphäre auch der Ozean gehört.“ Wenn sich der Energieeintrag in das Gesamtsystem nicht ändert und die Lufttemperatur stagniert, dann wird die Energie in diesem Zeitraum von den Ozeanen aufgenommen. Prof. Dr. Mojib Latif vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel: „Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass bereits die La Niña-Ereignisse der letzten Jahre ausreichend kaltes Wasser an die Oberfläche transportieren, um den globalen Temperaturverlauf zu erklären.“ Bei dem wiederkehrenden Strömungsphänomen im pazifischen Ozean kommt sehr kaltes Tiefenwasser an die Oberfläche. Das umgekehrte Ereignis, El Niño, sorgt für außergewöhnliche Erwärmungen. Die gegenwärtige Atempause bei der globale Erwärmung könnte allerdings vom südlichen Ozean unterstützt worden sein, der sich ebenfalls abgekühlt hat.
Latif: „Die spannende Frage ist also, was passiert, wenn das nächste El Niño-Ereignis eintritt?“ Dem letzten großen El Niño-Ereignis im Jahre 1998 folgte ein deutlicher Anstieg der globalen Temperatur. Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutscher Wetterdienstes: „Es ist sehr plausibel, dass sich hinter der aktuellen Stagnation der globalen Temperatur weiterhin eine Erwärmung des Gesamtsystems bestehend aus Atmosphäre und Ozean vollzieht.“ Das unterstreicht auch Latif: „Der Meeresspiegel zeigt die Atempause nicht, ein klares Zeichen dafür, dass der Klimawandel voranschreitet.“
Klimawandel erfordert zügiges Handeln
Wie bei kaum einem anderen Thema sind sowohl die Beobachtungen als auch die Ergebnisse der Klimamodellierung für viele Bereiche der Gesellschaft so relevant, dass viele Informationen über den Klimawandel nach jeweiliger Interessenlage ideologisiert werden. Plöger: „Es ist aus unserer Sicht von zentraler Bedeutung, die überprüfbaren Fakten in den Mittelpunkt zu stellen. Viele der derzeitigen Veränderungen sind zudem bereits sichtbar“. Es ist daher wichtig der Bildung und Vermittlung von Wissen zu diesem Thema mehr Raum und mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Böttcher: „Der ExtremWetterKongress leistet hier mit viel Aufwand und sehr wenig Geld schon passable Arbeit.“ Es wäre wünschenswert, wenn die finanzielle Unterstützung der Arbeit in diesem Bereich eine gesicherte Existenz des Kongresses erlauben würde.
Übersicht der Klimafakten:
- Wassertemperatur: Die Wassertemperaturen sind global von 1970 bis 2010 um 0,4 Grad gestiegen.
- Gletscher: 81 Prozent der weltweit untersuchten Gletscher ziehen sich aktuell zurück.
- Saure See: Der Säuregehalt der Meere liegt bei pH 8,06 und damit niedriger als in den letzten 800 000 Jahren.
- Antarktis: Zwischen 1992 und 2011 hat die Antarktis im Mittel jährlich 71 Milliarden Tonnen Eis verloren.
- Arktis: Das Eismaximum der Arktis im Winter ist in den letzten 35 Jahren von 16,2 Mio. Quadratkilometer auf 14,5 Mio. Quadratkilometer zurückgegangen.
- Grönland: Grönland verliert jährlich 100 bis 350 Mrd. Tonnen Eis.
- Hitzerekorde: Die Hitzerekorde in Deutschland haben sich in den letzten 15 Jahren im Vergleich zu den 15 Jahren davor verdoppelt. 1980 bis 1996 im Mittel 27 Dekadenrekorde, 1997 bis 2012 traten im Mittel 54 Dekadenrekorde an 60 Stationen des Deutschen Wetterdienstes auf.
- Eisbär: In 75 Prozent der untersuchten Eisbärpopulationen gehen die Bestände zurück.
- Stürme: Die mittlere Zahl der schweren Stürme über dem Nordatlantik ist von 4,7 im Jahre 1986 auf 9,5 im Jahr 2012 angestiegen (bei sehr hoher Variabilität). In der Nordsee ist keine Windzunahme festzustellen.
- Hochwasser: Die Zahl der Wetterlagen mit hohem Hochwassergefahrenpotenzial (5b, Tief Mitteleuropa) hat sich im Mittel vom Ende des 19. Jahrhunderts von 2,7 auf 9 im Jahre 2009 erhöht.
- CO2: In diesem Jahr wurden erstmals 400 ppm gemessen, die höchste CO2-Konzentration seit mindestens 800 000 Jahren. (40 Prozent über der vorindustriellen Zeit).
- Meeresspiegel: Der Meeresspiegel ist global von 1993 bis 2013 um etwa 60 Millimeter gestiegen.
- Entwaldung: Borneo: 80 Prozent Entwaldung zwischen 1980 und 2010. Südostasien: 33 Prozent Entwaldung von 1973 bis 2009. Amazonasbecken: Entwaldung der Fläche Deutschlands binnen zehn Jahren.
Neben den bekannten „Größen“ aus der Klimaforschung referierten auf dem 8. Extremwetterkongress vom 23. bis 27. September in Hamburg in der HafenCity auf dem KLU-Campus vor rund 3.000 Teilnehmern auf 120 Workshops und 80 Vorträgen verschiedenste Referenten aus Instituten, dem DWD (Deutschen Wetterdienst), Vereinen (u.a. Skywarn Deutschland), Versicherungen und Unternehmen. So stellte auch Tobias Volgnandt aus Rosstal (www.wetter-rosstal.de) bei Ansbach zusammen mit Prof. Dr. Egon Wanke die Wetter-Community „Blitzortung.org“ vor. Diese besteht aus Privatleuten, die an ihrem Haus oder in ihrem Garten eine eigene Station zur Ortung von Blitzen installiert haben. „Das wichtigste Bauteil ist die Antenne“, erklärt Volgnandt. Über sie registrieren die Ortungsstationen den elektromagnetischen Impuls, den der Blitz durch die Luft schickt. Wichtig für die Genauigkeit der Ortung ist, dass mehrere Stationen den Blitz „detektieren“. Denn die Station selbst misst nicht den Ort, sondern die Zeit des Einschlag – und das mikrosekundengenau. Diese Daten sendet sie an einen zentralen Server, der sie mit den Daten von anderen Stationen vergleicht. Unter Berücksichtigung des Standortes der beteiligten Stationen kann so der Ort bestimmt werden, an dem der Blitz eingeschlagen ist. Alle auf diese Weise ermittelten Blitzdaten stellt das Netzwerk auf seiner Homepage kostenlos zur Verfügung. (Quelle NDR). Spielerei oder ernstzunehmende Alternative? Volgnandt beantwortet die Frage, mit der er und Wanke ihren Vortrag überschrieben haben, mit einem Augenzwinkern: „Blitzortung.org ist eindeutig eine ernstzunehmende Spielerei.“
Fotos: Hans-Martin Goede
Text: PR EWK, Hans-Martin Goede, NDR